Duft von drei Kontinenten
Traditionen, Familienrezepte und ein Gefühl von Heimat in der Ferne: Zwei Studentinnen und ein Student aus Asien, Südamerika und Afrika lassen sich in die Töpfe schauen. Und erleben, wie das gemeinsame Kochen Brücken zwischen ihren Kulturen baut.
Foto(s): Frederik Röh
Camila Maldonado
Ecuadorianer gelten als sehr herzliche Menschen mit einem großen Sinn für Familie und Freundschaft. Da ist Camila Maldonado aus der Stadt Cuenca im südamerikanischen Land keine Ausnahme: Die 28-Jährige kocht gern und regelmäßig für Freunde. Ihre weiteren Leidenschaften: Tanzen, Singen und Basteln. Überhaupt ist Camila sehr aktiv und kreativ. „Meine Mutter spannt mich immer ein, wenn es um Dekoration geht.“ Für ihr Masterstudium in Heide hat sie erstmals ihre Heimat verlassen, um internationale Erfahrungen zu sammeln.
Benjamin Badu
Restaurants meidet er fast wie ein Stürmer das Abseits. Benjamin Badu, 34, ist ein Meister der ghanaischen Küche – allerdings muss das Essen immer selbst gemacht sein, und das jeden Tag! Er liebt scharfe Mahlzeiten und schmunzelt über die empfindlicheren norddeutschen Zungen seiner Freunde. Am Wochenende versäumt er kaum ein Fußballspiel im Fernsehen. Oder er geht selbst aufs Spielfeld, um Volleyball oder Basketball zu spielen. Und ab und an sitzt er auch an der Konsole und liefert sich hitzige Fifa-Duelle.
Kim Tran
Geboren im Norden Vietnams, zog die damals elfjährige Kim Tran mit ihren Eltern in den Süden des Landes nach Ho-Chi-Minh-City, das ehemalige Saigon. Nun studiert sie mehr als 9.000 Kilometer Luftlinie entfernt in Heide. Gerade in Norddeutschland genießt sie es, klassische und auch moderne vietnamesische Gerichte zuzubereiten. Zudem schmückt Kim ihre Wohnung gern mit Pflanzen, um die sie sich liebevoll kümmert, liest spannende Kriminalromane und entdeckt Schleswig-Holstein mit dem Fahrrad.

Der Augenblick, an dem Kim, Camila und Ben sich mit einem kleinen Schluck Sekt in der Küche zuprosten, läutet den Abend ein, von dem alle drei hinterher erzählen werden, es sei für sie einer der spaßigsten und bisher interessantesten in Deutschland gewesen. Zumindest kulinarisch gesehen.

Doch von vorn. Kim aus Vietnam, Camila aus Ecuador und Ben aus Ghana kennen sich recht gut, denn sie studieren alle drei International Tourism Management an der FH Westküste in Heide. Sie haben schon zusammen gelernt, Exkursionen gemacht – aber gekocht haben sie noch nicht gemeinsam. So ist an diesem Abend die Wissenschaft auch vergessen, heute dreht sich alles um eine andere Leidenschaft – das gemeinsame Kochen, Essen und die Freude am Austausch. „Wir lernen ganz andere Seiten voneinander kennen“, sagt Kim und lacht. „Ich wusste gar nicht, dass Ben so gut kochen kann.“ Der junge Mann aus Ghana steht bereits in der Küche und püriert die Marinade für das Hauptgericht, das er servieren möchte. Camila kocht derweil die Kartoffeln für die Llapingachos. „Das sind sehr populäre, traditionelle Kartoffelpfannkuchen aus Ecuador. Sie sind einfach, aber es steckt viel Liebe in ihnen“, sagt sie, bevor sie die weichen Kartoffeln zerdrückt und zu kleinen, runden Fladen formt. Dann kommt die Vorspeise in die heiße Pfanne. Es brutzelt, und die Pfannkuchen sehen schon ziemlich knusprig aus.
Camila dreht die kleinen Taler geschickt um, während sie erzählt, dass wahrscheinlich die Salasacas, ein indigenes Volk, das Gericht erfanden. Der Name stammt von dem Wort „ llapingue“ und bedeutet „abgeflacht“. Auch Kim ist bereits mit den Vorbereitungen für das Dessert beschäftigt. Chè ist eine traditionelle süße Suppe aus Vietnam, die auf Basis von Kokosmilch mit Tapioka-Perlen, Süßkartoffeln und verschiedenem Obst zubereitet wird. Die Studentin lässt die Kokosmilch vorsichtig köcheln und gibt später die Süßkartoffeln und die anderen Zutaten hinzu.
Der süße Duft der Kokosmilch erfüllt die Küche, und die Suppe nimmt eine interessante Textur an. „In Vietnam essen wir Chè auch als Trostgericht, es ist süß und beruhigend“, erzählt Kim. Die Kokossuppe lässt sich vielseitig genießen: heiß oder kalt, in Schüsseln, Gläsern oder über Eis serviert. Sie harmoniert wunderbar als Dessert nach scharfen Gerichten oder zu Dumplings, den berühmten asiatischen Teigtaschen.
Auch Ben ist stolz auf seine Spezialität aus Ghana. „Jollof, ein westafrikanisches Gericht, ist besonders in Ghana und Nigeria beliebt“, berichtet er. Die Festtagsspeise wird in seiner Heimat oft zu besonderen Anlässen gekocht: „Jollof ist in Ghana so etwas wie ein Nationalgericht. Es gibt immer Diskussionen darüber, wer das beste Jollof-Rezept hat.“ Heute Abend sind alle überzeugt davon, dass es Ben ist. „Der Geschmack der Tomatensoße ist sehr wichtig“, sagt Ben, während er Zwiebeln und Currypulver in der Pfanne anbrät. Sobald sie eine goldbraune Farbe annehmen, fügt er die Tomatenmischung hinzu, die langsam vor sich hin köchelt. Kim und Camila beobachten, wie der dampfende Reis eine satte, rote Farbe bekommt und die Küche mit tollem Duft erfüllt. Die Chè-Suppe rundet später das Mahl mit einer samtigen Süße ab und bringt die drei Freunde zum Lachen, als sie feststellen, dass Süßkartoffeln und Tapioka-Perlen eine ungewöhnliche, aber köstliche Kombination sind.
Aber es sind nicht nur ihre traditionellen Gerichte, sondern auch die damit verbundenen Geschichten und Erinnerungen, die die drei Studenten miteinander verbinden. In der gemütlichen Küche ihrer Professorin Anne entsteht ein Gefühl von Heimat, das sich über Kontinente erstreckt – ein Abend, der nachhallt und zeigt, wie gut Freundschaft und Zusammenhalt durch gemeinsame Essenszubereitung wachsen können. „Ich hätte auch nicht unbedingt gedacht, dass Jollof und Llapingachos so gut zusammenpassen würden“, sagt Camila schmunzelnd, als sie das Dessert genießt. Kim stimmt lachend zu. Es ist die Magie des gemeinsamen Genusses, die diesen Abend besonders macht und die Welt für einen Moment zusammenrücken lässt.
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