Engagiert und weltoffen

Diese drei Powerfrauen düsen nicht nur durch die Welt, sie engagieren sich auch für ein besseres Miteinander. Beim gemeinsamen Kochen in unserer Hierleben-Kochrunde finden sie neue Impulse und sind überzeugt, dass Verständigung auch durch den Magen geht.

Foto(s): Frederik Röh
Jenny Chong de Winkelmann
„Mein Großvater, ein Chinese, hat in den Anden sogar ein Restaurant besessen“, erinnert sich Jenny. Sie selbst ist in Perus Hauptstadt Lima geboren und hat dort auch Volkswirtschaft studiert. Kochtipps erhielt sie von ihrer Nanny, von der sie auch „Quechua“ lernte, die Sprache der Inka. Offensichtlich ist sie ein Sprachtalent. Neben ihrer Muttersprache Spanisch und der Inkasprache beherrscht sie fließend Deutsch, Französisch und Englisch. Mit ihrem deutschen Mann, einem Geologen, hat sie viel von der Welt gesehen. Heute ist ihre Heimat Hannover, wo sie sich bei IWAH einbringt, dem Internationalen Frauenverband.
Anna Haertlé
Als Anna vor 38 Jahren der Liebe wegen aus Polen nach Deutschland kam, war die Diplomingenieurin erst einmal Hausfrau und Mutter – „bis ich meine kreative Ader entdeckte“. Heute malt sie, gestaltet eigene Ausstellungen, schreibt Gedichte, macht Musik, lernt Englisch und engagiert sich für Europa. Als pädagogische Kraft in einer Schule in Hannover leitet sie Kinder zum kreativen Handeln an. Auch das Kochen ist für sie Kunst. Oft experimentiert sie mit Kräutern und viel Gemüse. Die polnische Kochkunst hat sie sich bei ihrer Mama in dem kleinen Dorf in Masuren abgeschaut, wo sie ihre Kindheit verbrachte.
Lucienne Christ-Otto
Als sie 17 war, machte die Straßburgerin Ferien am Strand von St. Tropez. Dort verliebte sich in einen jungen Hannoveraner und folgte ihm schließlich in seine Heimat. Dass sie kein Wort Deutsch sprach, war für die agile Lucienne nur eine „kleine Hürde“. Schnell lernte sie die Sprache und fand im Vertrieb eines großen Unternehmens der Autoindustrie einen Job, der ihr von Hannover aus viele Reisen ermöglichte. Im Ruhestand denkt sie nicht ans Ausruhen. Sie organisiert für eine Firma Reisen und arbeitet ehrenamtlich im Café ka:punkt, eine Adresse für Menschen in Not. „Menschen zu helfen, macht mir große Freude.“

Jenny kannte Lucienne, Anna kannte Jenny, und weil Anna Lucienne vor dem Kochrundentreff kennenlernen wollte, trafen sich die beiden im Café ka:punkt in Hannovers City. Dort arbeitet Lucienne viele Stunden ehrenamtlich, um Menschen in Not zu helfen. Resultat der Begegnung? Sympathie auf beiden Seiten, Termin zur Hierleben-Kochrunde gebongt.

Als Anna und Jenny in der Beletage der Jugendstilvilla, die Lucienne und ihr Mann bewohnen, eintreffen, reicht die Gastgeberin erst einmal ein Glas Champagner. „Das ist in Frankreich üblich“, sagt sie und begrüßt ihre Mitköchinnen mit einem herzlichen „A votre santé“! Lucienne kennt sich mit dem Servieren aus – nicht nur von Aperitifs. Ihre Eltern besaßen im schönen Straßburg ein Restaurant. „Als Kinder mussten wir tüchtig mithelfen, zum Beispiel nach einem Regen mit Leinensäcken bewaffnet losziehen und Schnecken sammeln. Das war eine der Köstlichkeiten, die auf der Speisekarte unseres Restaurants landeten.“ Sie lacht. „Schnecken, Nierchen, Austern, Froschschenkel, bei uns gang und gäbe, kannten weder mein Mann noch seine Freunde, als ich hierher nach Deutschland kam.“

Ihren Mitstreiterinnen, die ihre Lebensmittel und Küchenutensilien bereits auf der Arbeitsfläche ausgebreitet haben, berichtet sie, dass ihr keine Kochaufgabe Angst macht. „Ich habe immer gern Gäste, manchmal koche ich für zehn Personen, aber ich kann auch 50 Leuten ein köstliches Menü bieten.“ Ein wenig habe sie aber die Lust an ganz großen Einladungen verloren, gesteht sie. „Dafür hat mein Mann das Kochen entdeckt.“

Anna ist fleißig dabei, mit dem Nudelholz den Teig auszurollen, den sie zu Hause vorbereitet hat. Lucienne hilft, Limetten auszupressen, Jenny schneidet derweil Thunfisch und Lachs zurecht. Die Stücke kommen in die spezielle Marinade. „Ich habe mich für Ceviche nach Nippon-Art entschieden“, erklärt Jenny. „Es gibt viele Japaner in Peru, und ich selbst habe chinesische Vorfahren.“ Chinesen kamen vor 150 Jahren als Arbeitssklaven nach Peru. „Deshalb hat die Küche Perus viele asiatische Einflüsse aufgenommen. In der Küche improvisieren wir Peruaner gern, und von Peru aus gehen mittlerweile wahre kulinarische Trends in die Welt.“ Fest zur Kultur des Landes gehören die vielen Chifas, die chinesischen Restaurants, von denen es allein in Lima über tausend gibt. Die dort angebotenen Gerichte sind Produkte der kantonesischen Kochkunst und werden von den Peruanern sogar als Nationalgerichte akzeptiert.

Anna leitet Lucienne und Jenny beim Herstellen der Piroggen an. Ein Teigkreis nach dem anderen wird mit einem Glas ausgestochen, auf die Hälfte der Kreise häufelt das Trio Annas köstliche Mischung aus Steinpilzen und Sauerkraut, dann klappen sie die andere Hälfte darüber und drücken die Teighälften fest zusammen. Anna geht das Prozedere natürlich am schnellsten von der Hand. „46 Stück haben wir“, sagt sie triumphierend. „Wir Polen lieben Pilze über alles. Pilze zu sammeln ist bei uns so etwas wie ein Nationalsport.“ Sie lässt die Piroggen in das siedende Wasser gleiten.

Nebenbei erfährt Lucienne, dass Jennys jüngere Schwester sich mit Annas Sohn in Boston getroffen hat, der eine Zeitlang in Harvard Medizin studierte. „Wie schön“, meint Anna, „dass wir so weltoffen leben können. Damit es so bleibt, stehen wir für Europa ein und gehen dafür auch auf die Straße.“ Inzwischen kocht Jennys Süßkartoffel auf dem Herd. Sie soll das Ceviche als Garnitur bereichern. „Süßkartoffeln sind in Peru beliebt. Sie sind nicht nur gesund, sondern auch sehr schmackhaft.“ Beim Gespräch über die Süßkartoffel denkt sie an ihre Kindheit. „Als ich noch klein war, hat mein Vater oft gesagt: „Iss deine Süßkartoffel, dann bekommst du auch so schöne dicke Haare wie der Hund!“ „Schöner Spruch, deine Haare sind einfach super“, witzeln Anna und Lucienne, die jetzt die Sahnegarnitur für Luciennes Mousse au chocolat vorbereiten. Lucienne hat sich für eine schnelle Mousse entschieden. Ihr Kommentar zu Frankreichs Klassiker: „Fast jede Familie hat ihr eigenes Rezept. Wenige Zutaten lösen große Freude aus.“

Den Tisch hat Lucienne bereits gedeckt. Die Freuden des Menüs können beginnen!

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