Entspannung beim Kochen
„Kochen ist für mich wie Meditation“, sagt die Iranerin Maryam. Ähnlich geht es Miran aus dem Irak: „Wenn ich in der Küche stehe, vergesse ich alles.“ Auch die erst 15-jährige Anna formt bei der Hierleben-Kochrunde völlig entspannt ihre chinesischen Sesambällchen.
Foto(s): Henrik Matzen
Maryam Majidi
Maryam ist vor acht Jahren aus dem Iran nach Kiel gekommen. Die 38-Jährige ist ein Energiebündel, hat schon zwei Studien abgeschlossen – Biologie und soziale Arbeit – und arbeitet nun als interkulturelle Beraterin bei der evangelischen Kirche. „Ich bin politisch sehr aktiv und setze mich für Frauenrechte ein.“ Maryam ist ein gefühlvoller Mensch, nimmt ihre Mitköchinnen an diesem Abend oft in den Arm – und lacht viel. Kochen ist geliebtes Hobby: „Ich möchte auch zeigen, wie abwechslungsreich die iranische Küche ist.“
Miran Karim
Miran kann definitiv super kochen: Wenn sie fröhlich die Bällchen für Köfte formt, sieht es einfach perfekt aus. „Ich koche jeden Tag – und immer was anderes“, sagt die 53-Jährige. Die gebürtige Irakerin hat mit ihrem Mann sechs Kinder, die alle anspruchsvolle Jobs haben oder studieren. Miran selbst war im Irak Lehrerin. 1993 flüchtete sie mit der Familie aus der Heimat. In Kiel berät sie bei der evangelischen Kirche Frauen, die von Gewalt betroffen sind. Sie spricht etliche Sprachen – einfach nur wow, diese Frau.
Anna Nguyen
Wie schön, ein so junges Mädchen bei einer internationalen Kochrunde dabei zu haben: Die Chinesin Anna ist erst 15, weiß aber schon ganz genau, was sie will. „Meine Eltern haben ein Restaurant in Kiel, sie sind Sushi-Meister. Ich will aber lieber Flugbegleiterin werden, denn ich liebe es zu reisen.“ Kochen und backen kann sie trotzdem schon richtig gut, denn ihre chinesische Mutter und ihr vietnamesischer Vater haben ihr viel beigebracht. Anna tanzt gern in ihrer Freizeit und spielt Klavier. In der Schule sind Mathe und Sport ihre Lieblingsfächer.

Mit erstaunlich wenig Tüten und Zutaten kommt dieses Hierleben-Kochtrio in die Küche. Maryam kümmert sich um die Vorspeise und hat ein einfaches Rezept für einen iranischen Auberginen-Dip dabei. Miran aus dem Nachbarland Irak bringt Bulgur, Hackfleisch und einige andere Dinge für die Hauptspeise, eine traditionelle Köfte, mit. Und die Zutaten für Annas Nachspeise passen in eine kleine Tasche: Sesam, Klebreismehl, Öl, Butter und Zucker. „Das werden Sesambällchen mit einer süßen Füllung“, erklärt die 15-Jährige, und alle drei machen sich komplett entspannt an die Arbeit. Anna zerkleinert den schwarzen Sesam mit einem Pürierstab, der noch fix von den Mietern unten im Haus geliehen wird. Miran mischt Bulgur, Weizengrieß und Gewürze und fügt beim Kneten immer wieder etwas Wasser hinzu. Die genauen Mengenangaben? Schwierig: „Ich koche nach Gefühl“, sagt sie, und ihr ganzes vom Kopftuch eingerahmtes Gesicht lächelt.

Miran erzählt, dass sie Gewürze gern selbst herstellt – zum Beispiel auch die Sieben-Gewürze-Mischung, die sie heute benötigt. Mit Nelke, Zimt und Kurkuma sind die Düfte dieser Welt hier vereint. Während Miran das Hackfleisch brät, erzählt sie von der Flucht aus ihrer Heimatstadt Zaxo im Jahr 1993. Mit ihrem Mann und ihren drei noch kleinen Kindern war sie unterwegs, doch finanziell schafften sie es zunächst nicht. Erst etliche Monate später gelang die Familienzusammenführung. Das Paar bekam noch drei weitere Kinder, und die ganze Familie gab sich große Mühe bei der Integration. „Ich habe vier Semester Deutsch an der Uni gelernt. Ich fand das wichtig, weil ich ja auch Kinder habe.“
Maryam schaut ihr über die Schulter und hilft ein bisschen bei der Vorbereitung der Köfte, denn ihre Auberginen müssen eine ganze Weile im Ofen garen. Die beiden Frauen aus dem Iran und Irak arbeiten beide bei der evangelischen Kirche und helfen Frauen in Notlagen. Das verbindet, das schafft Freundschaft.
Maryam nimmt ihre Freundin in den Arm – und auch Anna, die Maryam ebenfalls kennt, bekommt Umarmungen. Eine herzliche Kochrunde ist das! „Eigentlich war mein Tag heute nicht so gut, denn ich bin gerade zum vierten Mal bei der Fahrprüfung durchgefallen“, beichtet Maryam und verzieht das Gesicht. Die anderen beiden gucken entsetzt, dennoch müssen alle zusammen lachen. Man kann ja nicht alles können. Ansonsten ist Maryam ziemlich gut in vielen Dingen: Mit zwei abgeschlossenen Studiengängen und dem jetzigen Praktikum im Landtag bildet sich die 38-Jährige permanent weiter. Maryam, die in Bijar geboren wurde und mit einem studentischen Visum 2016 nach Deutschland kam, wird wohl hier bleiben. „Meine Mutter und meine drei Schwestern sind noch im Iran“, erzählt sie etwas traurig.
In einer anderen Ecke der Küche rollt Anna ihre Kugeln aus Klebreismehl. Sie kann das mit ihren erst 15 Jahren erstaunlich gut. Da sie in dem Restaurant ihrer Eltern, dem Oishii in der Holtenauer Straße in Kiel, oft mithilft, hat sie viel Übung im Kochen und Backen. In der chinesischen Heimat ihrer Mutter war Anna im vergangenen Jahr. „Aber leben möchte ich dort nicht. Die Jugendlichen haben da überhaupt keine Freizeit. Bis spät nachts müssen sie Hausaufgaben machen.“ Dieser ganze Drill in China – er gefällt Anna überhaupt nicht. In Vietnam sei die Lage ähnlich: „Ich habe dort einen Cousin und eine Cousine. Die haben nie Zeit.“ Die Gymnasiastin ist dankbar für die Art und Weise, wie ihre Eltern sie erziehen. Das funktioniert ganz offensichtlich: Anna ist gut in der Schule, macht Modern Dance und andere Tanzarten, spielt Klavier und hat glasklare Zukunftsvisionen.
Nach gut einer Stunde ist das große Frittieren in der Küche angesagt. Die Köfte werden im Topf mit sehr viel Öl knusprig gebacken, und auch die Sesambällchen bekommen im Öl die goldbraune Ummantelung. Gemeinsam wird gegessen – und tatsächlich ist aus den wenigen Zutaten ein sehr leckeres, internationales Drei-Gänge-Menü entstanden. Das Fazit der drei Frauen: „Teamarbeit bringt Spaß, und Kochen entspannt. Es ist so friedlich und verbindet.“
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