Familie und Freundschaft
Die drei kennen sich seit Jahrzehnten, sie kochen, essen und feiern zusammen. Ungewohnt ist für sie nur der Ort, an dem sie diesmal am Herd stehen: eine Küche im Gemeindehaus der Kirche. Gemeinsam zu kochen, gehört hier zum Gemeindeleben – und ebenso wie bei der Hierleben-Kochrunde geht es international dabei zu.
Foto(s): Henrik Matzen
Tanya Häussler
Sie liebt Countrymusik und besitzt einen Original Stetson Cowboyhut. Nur zum Rodeoreiten, wie ihr Vater es konnte, fehlt in Deutschland die Gelegenheit. Tanya ist in Franken aufgewachsen und lebt heute an der Schlei, aber ihr Geburtsland Texas steckt tief in ihrem Herzen. „Ich habe dort eine große Verwandtschaft, ein Teil davon lebt sogar auf einer Ranch“, erzählt sie. Die Erzieherin und Traumapädagogin ist seit 21 Jahren mit Sven verheiratet, die beiden haben einen Sohn. „Die Küche bei uns gehört eindeutig Sven“, sagt sie.
Markus Kosa
Markus hat einen südafrikanischen und einen österreichischen Pass: Seine Mutter, Deutsche, und sein Vater, Österreicher, waren beide nach Südafrika ausgewandert und lernten sich dort kennen. Weil Markus kurz nach seinem Studium zum Wirtschaftsingenieur seine jetzige Frau traf, verschlug es ihn ihretwegen wieder nach Deutschland. „Mein erster Besuch war während der Kieler Woche, und ich dachte: tolle Stadt, da ist ja nur Party“, erinnert er sich. Bald zog er an die Förde und lebt heute mit seiner Familie in der Nähe von Schleswig.
Sven Häussler
Wildgericht, Wein-Eis oder Wurst: Sven kann das alles. „Ich bin ganz ländlich aufgewachsen und habe mit sechs Jahren meine erste Sau geschlachtet“, erzählt er. Sein Vater war Koch, ein Onkel Metzger, ein anderer Jäger. Das prägt. Kochen ist für ihn der perfekte Ausgleich zum Job: Der Soldat arbeitet als Fluglotse bei der Bundeswehr. Seine fränkische Heimat ist ihm noch anzuhören, aber ebenso wie Tanya ist Sven ein echtes Nordlicht geworden und engagiert sich in der Kirchengemeinde und als Jugendfußballtrainer.

Sven baut seine Eismaschine auf, Markus portioniert Gewürze dekorativ auf einem kleinen Teller, und Tanya, stilecht in einem T-Shirt mit Texas-Aufdruck, sucht in den Schränken passende Teller für ihre „Tex-Mex“-Vorspeise. Ein Warm-up braucht es nicht, die drei sind mehr als vertraut miteinander. Regelmäßig laden sie sich reihum mit ihren Familien und Freunden zum Essen ein; Tanya und Sven kennen sich, seit sie Kinder waren. Die Liebe kam später … Und über der Freundschaft der beiden mit Markus‘ Familie stehen die Sterne ebenfalls richtig: Sven und Markus haben am selben Tag Geburtstag, und ihre Söhne ebenfalls.

Die praktische Küche im Gemeindehaus in Busdorf hat Sven organisiert. Er lädt hier für die Kirchengemeinde Haddeby einmal im Monat ältere Alleinstehende zum Kochen in Gemeinschaft ein – mit echter Leidenschaft für sein Ehrenamt. „Ich stelle die Gerichte zusammen, kaufe ein und moderiere den Abend. Das macht einfach Spaß. Was die alle zu erzählen haben“, berichtet er und strahlt. Die Eismaschine dreht sich bereits gemächlich, die Äpfel sind geschält und geschnitten, der Pfannkuchenteig ist schön dickflüssig angerührt, damit er gut an den Apfelringen haftet. In die Pfanne kommen die Küchlein später. „Das Rezept habe ich von meiner Oma. Aber das Wein-Eis dazu habe ich selbst kreiert“, erzählt Sven. Wichtig sei, den Wein auf Geschmack und Süße zu reduzieren. „Dafür eignet sich eine liebliche Spätlese aus Franken gut.“
„Gibst du mir ein paar von deinen Zwiebeln ab?“, fragt Markus, und Tanya schiebt die Schüssel über die Arbeitsfläche. Der Südafrikaner ist in der Hauptstadt Pretoria aufgewachsen und hat dort die deutsche Schule und später die Uni besucht. Einmal im Jahr fliegt er zu seinen Eltern. „Von dort bringe ich gern Droewors und Biltong mit, getrocknetes, gepökeltes Fleisch. Und ein, zwei hiervon“, sagt er und zeigt auf die Flasche mit der Aufschrift „Mrs. H.S. Balls Chutney“. Der braune Inhalt riecht süß und sauer, scharf und fruchtig gleichzeitig. „Alternativ könnte man Pfirsichchutney nehmen“, überlegt er. Bobotie ist in seiner Heimat ein Alltagsgericht. „Über den Ursprung ist man sich nicht ganz einig. Vielleicht aus Holland, vielleicht aus Malaysia oder Indonesien? Jedenfalls ist Bobotie beim ganzen Volk beliebt.“ In Südafrika verwendet man meist Lammfleisch, aber die Fleischmischung, die er in die Auflaufform füllt, duftet auch mit gemischtem Hack lecker. Mit Bananen und reichlich Lorbeerblättern wird es dann richtig exotisch.
„Denkst du daran, dass du den Cheddar reiben wolltest, Schatz?“, fragt Tanya ihren Mann und übernimmt den Platz am Herd, um Hackfleisch mit Tomaten, Zwiebeln, Chili und Gewürzen zu braten. Vorher hat sie fleißig Salat und Lauchzwiebeln geschnippelt und die Avocado mit ihrem Lieblingsgewürz vermischt. „Avocado ist so lecker! In Texas grillt man sie sogar, und in einigen Restaurants wird Guacamole ganz fix direkt am Tisch zubereitet“, sagt sie und schwärmt von ihrem letzten Besuch im Süden der USA: „Das Leben spielt sich dort im Freien ab.“ Sie erzählt von den vielen Stunden auf der typischen Veranda, die dort „Porch“ heißt, und dem mexikanisch geprägten Essen. „Tortilla Salad gibt es in meiner Familie wirklich oft, zum Beispiel beim Fernsehen, traditionell zum Unabhängigkeitstag oder einfach so, an heißen Tagen.“ „Ach ja, heiße Tage“, sagt Markus und seufzt kurz. Auch er vermisst manchmal das Leben draußen und dazu die Lieblingsbeschäftigungen der Menschen in Südafrika: Rugby und entspannte Grillabende.
Die Vorspeise ist angerichtet, der Auflauf fertig, und der goldgelbe Reis, in den der Südafrikaner jetzt noch eine Handvoll Rosinen gibt, ebenfalls gar. Er arrangiert Bobotie und Reis auf einem Teller mit Tomaten, Banane und Kokosrapeln. Welch leckere Mischung! Sven brät noch die Apfelküchlein, bestreut sie mit Zimt und Zucker und setzt vorsichtig eine Kugel Eis obendrauf.
In einem Gemeindehaus findet sich immer ein großer Tisch, an dem gemeinsam gegessen werden kann. Und wie passend: Gerade erklingt im Glockenturm nebenan das Mittagsläuten.
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