Klasse Klassentreffen
Ort? Cafeteria der Integrierten Gesamtschule Hannover-Linden. Hauptdarsteller? Vier Mädchen, gerade mal 17 und 19 Jahre alt. Ihre Motivation? Die Küche anderer Länder kennenlernen. Fazit? Selbst kochen und gemeinsam essen machen richtig Spaß.
Foto(s): Frederik Röh
Nartane und Hatice Chatzi
Familie Chatzi, eigentlich türkischstämmig, hatte sich im griechischen Alexandroupolis angesiedelt, wo noch immer ein Teil der Familie lebt. Deshalb freuen sich die Zwillinge auf die Ferien, die sie in der quirligen Hafenstadt am Thrakischen Meer in der Ägäis verbringen. In Hannover helfen die beiden oft im Bistro der Eltern. Hier werden typisch mediterrane Gerichte serviert und mit eigenen Kreationen von Gewürzmischungen verfeinert. Wen wundert es da noch, dass die Mädchen so fix die Gurken fürs Zaziki raspeln können?
Firdaous Abadji
Lernen, Sport treiben, den Führerschein machen, mit Freunden treffen: Für die 17-jährige „Fidi“ vergeht der Tag wie im Flug. Zu Hause sind auch noch zwei kleine Brüder, „die manchmal ganz schön nerven“, erzählt die Zwölftklässlerin, die sich auch sehr für Mode interessiert, lachend. Von ihrer Mama hat sie das Kochen gelernt, auch die exotischen Gerichte aus Togo, der Heimat ihrer Eltern. Zweimal war sie schon jeweils vier Wochen in der Hauptstadt Lomé im großen Familienhaus. „Schön war es, die große Verwandtschaft kennenzulernen“, sagt Fidi.
Nicole Gendzierski
Nicole geht wie die Zwillinge und Fidi in die zwölfte Klasse der IGS Linden. „Seit 2003 leben meine Eltern in Hannover“, erzählt die 19-Jährige. „Ich bin hier verwurzelt.“ Dennoch fährt sie immer wieder gern in den Ferien ins schöne Gdansk und genießt dort die Gastfreundschaft ihrer Verwandtschaft. „Weil zu Hause fast nur polnisch gekocht wird, freue ich mich heute auch mal auf eine andere Küche“, meint das blonde Mädchen. Für die Runde backt sie einen dunklen Kuchen mit hellen Flecken.

Es war Claudio Calderons Idee. Der Argentinier hatte selbst schon einmal an einer internationalen Kochrunde für Hierleben teilgenommen und mit einer EmpanadaVariante aus seinem Heimatland begeistert. Er bewirtet in seiner modernen Cafeteria Schüler der Oberstufe der IGS Linden, die aus aller Herren Länder kommen. Da müssten doch auch ein paar Kochtalente darunter sein, dachte er und sprach die Zwillinge Nartane und Hatice aus Griechenland, Fidi aus Togo und Nicole aus Polen an. Alle Mädchen waren gleich Feuer und Flamme für Claudios Idee mit dem Projekt-Koch-Tag. Fidi erscheint mit einem Rollkoffer, in dem sie zwei insgesamt sechs Kilo schwere Yamswurzeln, Auberginen und viele andere Lebensmittel verstaut hat. „Man muss sich zu helfen wissen“, so die junge Dame aus Togo, die um den Hals eine Kette mit den Umrissen des afrikanischen Kontinents trägt. Sie weiß, dass ihr Gericht das Aufwendigste ist, eine afrikanische Spezialität mit einem für uns fast unaussprechlichen Namen, die ihre Mutter oft kocht. „Meine Mama kann fantastisch kochen“, erzählt sie. „Sie hat in Togo als Köchin gearbeitet. Sie kennt sich auch mit italienischen, indischen und asiatischen Gerichten aus.“ Großzügig schneidet Fidi die bittere Spitze der armdicken braunen Yamswurzel ab, die ihre Mama ebenso wie die weißen Auberginen im Afrika-Shop erstanden hat. „Die Yams schmeckt genauso gut püriert wie frittiert“, erklärt Fidi. „Sie ist die afrikanische Variante der hiesigen Kartoffel: sehr stärkehaltig, vitaminreich und variabel.“

Während Fidi sich der Yamswurzel widmet, die geschält, in Stücke geschnitten, gewaschen und mindestens zehn Minuten in reichlich Salzwasser gelegt werden muss, raspeln die Zwillinge die frischen Gurken in Windeseile. Man merkt: Die beiden sind geübt, was das Schneiden von Gemüse angeht. „Wir helfen oft im Bistro unserer Eltern“, erzählen Nartane und Hatice. „Dort gibt es einen Mix von griechisch-türkischen Gerichten.“ Dass die Familie auch eigene Gewürzmischungen herstellt und vertreibt, zum Beispiel zum Brotbacken oder für Süßkartoffelpommes, erfüllt die Zwillinge mit Stolz. Ihren griechischen Bauernsalat stellen sie in Claudios Ofen, damit der Fetakäse ein wenig schmilzt.
Nicole schneidet währenddessen die Äpfel. Das Rezept für den braunen polnischen Apfelkuchen stammt von ihrer Tante. „In Polen gibt es eine Presswurst, die Salceson heißt. Auf dunklem Grund stechen weiße Speckstückchen heraus. Weil der Teig meines Kuchens durch den Kakao dunkel wird und die Apfelstücke hell herausleuchten, heißt der Kuchen auch Salceson“, erklärt Nicole. Nun wird aber erstmal geschnuppert: Fidi reicht eine Glasschale herum, damit alle den würzigen Duft des Pulvers riechen können, das ihrer Auberginensoße den Pfiff verleiht. Es besteht vor allem aus gemahlenem Trockenfisch. „Oh, wie intensiv, wie interessant“, kommentieren die anderen Mädchen. Fidis Mama hat extra die getrockneten kleinen Fische mitgegeben, damit man sieht, welch exotische Zutaten Afrikas Küche zu bieten hat.
Nicole, Natarne und Hatice helfen Claudio, den Tisch zu decken. Die Mädchen halten sich in den Schulpausen gern in seiner Cafeteria auf. Überhaupt finden sie ihre Schule cool. 1971 gegründet, war sie die erste Ganztagsschule in Hannover. Von den 1.400 Schülerinnen und Schülern hat knapp die Hälfte einen Migrationshintergrund. Die vier Mädchen lernen bereits fürs Abi. Nicole will danach ein Jahr durch Polen reisen und ihren weiteren Weg überdenken, Fidi geht vielleicht ins Eventmanagement, Nartane will Business studieren, und Hatice möchte Produktdesignerin werden.
Die Zukunftspläne rücken in den Hintergrund, jetzt ist das Genießen die Hauptsache. „Prost auf die fleißigen Köchinnen“, sagt Claudio, stippt die frittierten Yamsstücke abwechselnd in das Zaziki und die Auberginensoße und rollt vor Verzücken mit den Augen. Welch Glücksmomente beim Klassentreffen!
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