Kochen mit viel „Amore“

Die Römer haben die Gabel erfunden, sagt der Italiener in dieser Kochrunde. Die Perser dagegen den Löffel – da passt mehr rauf, kontert der Iraner und lacht. Und die Aserbaidschaner? Die reden nicht, die kochen und arbeiten einfach.

Foto(s): Frederik Röh
Meysam Shahhosseini
Meysam war sechs Jahre alt, als er mit seinen Eltern und dem kleinen Bruder aus dem Iran flüchtete. Sie wollten eigentlich nach Schweden, doch das klappte nicht. So landete die Familie zunächst in Frankfurt, später in Kiel. Mittlerweile ist Meysam 38 Jahre alt, hat Frau und Kind, ein schönes Haus und einen guten Job als Personalvermittler. Seine persischen Wurzeln aber vergisst er nicht – vor allem in der Küche. „Wir Perser essen gern viel und scharf, mit Gewürzen wie Kurkuma und Safran.“ Eine kleine Kostprobe seiner wirklich guten Kochkünste gibt die Frohnatur hier mit einer üppigen Vorspeise.
Emiliano Valentino
Emiliano Valentino – schöner kann ein italienischer Name wohl kaum klingen. „Mein Name war der Grund, warum meine Frau mich geheiratet hat“, scherzt der 48-Jährige. Emiliano ist Italiener durch und durch, obwohl er seine Heimatstadt Santa Maria a Vico bei Neapel schon vor 25 Jahren verlassen hat. Er mag es lebendig, leidenschaftlich und fröhlich – und freut sich, dass seine drei Kinder (22, 20 und 9 Jahre) noch zu Hause in Heikendorf bei Kiel wohnen. Wenn er kocht, dann duftet es nach Knoblauch und Olivenöl, und dann wird auch das eine oder andere Gläschen Averna getrunken.
Aida Chanlarowa
Wie gut, dass Aida bei der Kochrunde dabei ist. Sie kann nicht nur toll kochen, sondern sorgt auch immer dafür, dass die Küche sofort wieder blitzeblank aussieht. Das mag an ihrem früheren Job liegen. Nach ihrer Flucht aus Aserbaidschan arbeitete sie viele Jahre als Putzfrau. Die 68-Jährige ist ein extrem lieber Mensch: bescheiden, höflich und fleißig. Nur mit ihren Deutschkenntnissen ist es nicht ganz so gut bestellt. Aber mit Händen und Füßen sowie der Übersetzungshilfe ihrer Verwandten am Telefon klappt es in dieser internationalen Kochrunde trotzdem bestens.

Gekocht wird heute bei Emiliano. Und der Italiener beweist sofort seine Gastfreundschaft. „Wer möchte ein Glas Vino Bianco?“ Alle setzen sich an den großen Holztisch in der gemütlichen Küche und beschnuppern sich ein wenig. Emiliano und Meysam sind seit Jahrzehnten richtig gute Freunde und necken sich von der ersten Minute an.

Aida aus Aserbaidschan dagegen kennt ihre Kochpartner nicht und ist zunächst noch ein bisschen schüchtern. Emilianos Frau und Tochter kommen herein. Auch einer der Söhne lässt sich blicken. „Papa, kann ich helfen?“, fragt die neunjährige Anna. „Na klar, du kannst Kartoffeln schälen“, sagt Emiliano und zeigt ihr, wie man den Sparschäler richtig hält. „Na, ich lasse euch mal allein hier in dem Chaos“, sagt Emilianos Frau Vanessa und grinst. Aber von wegen Chaos: Sobald irgendwo Kartoffelschalen oder Müll herumliegen, ist Putzfee Aida zur Stelle. „Alles sauber“ – das sind wohl die Wörter, die die 68-Jährige am liebsten von sich gibt.

Alle helfen mit, Meysams Vorspeise zuzubereiten. Für den Kartoffelauflauf mit Hackfleisch und Gemüse muss so einiges getan werden: Möhren und Zwiebeln schälen, Hackfleisch anbraten und die Kartoffeln mit Eiern und Safran zerstampfen. Der Italiener schnappt sich den Stampfer und kommt ganz schön ins Schwitzen. Meysam wirbelt gut gelaunt am Herd; er braucht viel Platz und mehrere Pfannen. Nach einiger Zeit wird Emiliano nervös: „Gib mal Gas da. Ich brauche die Pfanne.“ Meysam lässt sich nicht aus der Ruhe bringen und würzt noch einmal kräftig nach. „Hey hey, mein Tanzbereich, dein Tanzbereich!“ Der Iraner lacht. Die beiden haben sich richtig gern, nennen sich „Emi“ und „Meys“ und albern herrlich zusammen. „Woran erkennt man einen Perser? An seiner Nase. Wie bei einer Eule“, scherzt Emiliano. „Und einen Italiener?“, fragt jemand. Emiliano antwortet selbst: „An seinem Charme.“ Oh, là, là, diese Italiener.

Die Männer kennen sich vom Fußballspielen. Emiliano war Schatzmeister in einem Kieler Verein, als das Talent Meysam seinen Weg kreuzte. Seitdem sind die Familien miteinander befreundet und kochen auch viel gemeinsam. Das kann Emiliano übrigens richtig gut. Ein Rezept für seine Linguine mit Muscheln? Braucht er nicht. Er hat in seinem Leben schon viele Jobs in der Gastronomie gehabt – obwohl er eigentlich gelernter Buchhalter ist. Zurzeit arbeitet der 48-Jährige als Filialleiter in der System-Gastronomie in Kiel. Beim Kochen macht ihm niemand etwas vor. Ratzfatz geht seine Hauptspeise.

Aida möchte gern anfangen, ihre Früchte für die Nachspeise zu waschen, aber die Spüle ist mit den Nudeln blockiert. Minutenlang läuft Wasser über die Spaghetti. Merkwürdig, findet Aida und verzieht fragend das Gesicht. „Das soll so“, meint Emiliano. „Weißt du, warum ich das mache? Damit sie al dente bleiben und nicht zerkochen.“ Aha. Als endlich die Spüle frei wird, legt Aida los. Sie wäscht und schneidet die Beeren und erzählt – so gut es eben geht: „Meine Mutter hat viel mit Obst gemacht früher.“ Von ihr hat sie das Kochen gelernt. Später hat Aida dann in einem Krankenhaus in ihrer alten Heimat gekocht. Sie lernte ihren Mann aus Armenien kennen und bekam eine Tochter. Später floh sie in die Ukraine, im Jahr 2000 ging es weiter nach Deutschland. Mit ihrem Mann lebt sie nun als Rentnerin in einer kleinen Wohnung in Heikendorf. „Ich bin zufrieden, alle sind freundlich“, lächelt sie.

Ein bescheidenes Leben. Für die Windbeutel-Nachspeise benutzt Aida süße Kondensmilch. „Aaah, die ist so lecker“, sagt Meysam. „Wir Perser schmieren uns die immer aufs Brot.“ Endlich ist Essenszeit. Alle lassen es sich schmecken, trinken Wein oder Wasser und dazu den einen oder anderen Averna: Emilianos Leidenschaft gleich nach seinem Hobby „Amore“. Das soll eigentlich nicht geschrieben werden – machen wir aber trotzdem. Da muss ein Italiener durch. Alle lachen viel an diesem Abend, diskutieren über gutes Essen und überteuerte Pizza in Deutschland. Drei Nationen, drei verschiedene Charaktere – immer wieder eine wunderbare Sache, diese Kochrunden!

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