Großes Hallo im Eingangsbereich von Anikós und Gabors Wohnung, die in einem Hochhaus direkt an Hannovers Maschsee liegt. Herzlich begrüßt Anikó als Gastgeberin ihre zwei Mitköchinnen und verabschiedet gleichzeitig Ehemann Gabor, der zu einer Veranstaltung nach Hildesheim fährt. „Flieht er vor uns?“, fragen Margarita und Ihovana amüsiert. „Nein, nein!“ Anikó lacht. „Packt eure Sachen aus, Gabor ist schon ganz gespannt auf eure Kochkünste und freut sich, wenn er später davon probieren kann.“
Anikó und Margarita gehen so vertraut miteinander um, weil sie seit über 30 Jahren befreundet sind. Margarita hat Ihovana mitgebracht, die sie beim Tanzen kennengelernt hat. Die beiden Frauen sind aber auch durch ihre Verbundenheit zu Kuba zu Freundinnen geworden. Ihovana erzählt beim Zwiebelschneiden, dass sie in Santa Clara aufgewachsen ist, die Stadt, in der Che Guevara als „Commandante“ die Revolution anfeuerte. Und Margarita ergänzt: „An der gleichen landwirtschaftlichen Akademie, an der Ihovana in Havanna zur Agraringenieurin ausgebildet wurde, habe ich Jahre zuvor Studenten in Russisch unterrichtet. Das war eine spannende Zeit.“ Sie rollt den Teig für die süßen Maultaschen zu einem großen Kreis aus. „Die Zubereitung von Wareniki habe ich in meiner Heimatstadt Charkiw von meiner Oma gelernt. Das Gericht war in der ganzen damaligen Sowjetunion verbreitet, aber eigentlich ist es das ukrainische Nationalgericht schlechthin.“ Ob mit gestampften Kartoffeln, gegartem Weißkohl oder Sauerkraut, ob mit Frischkäse, Quark, Pilzen oder Fleisch gefüllt: Die Teigtaschen sind so beliebt, weil sie so variantenreich daherkommen können. Ebenso begehrt ist die süße Variante, bei der Obst oder Beeren verwendet werden. Ein Wasserglas ist gut geeignet, um damit Teigkreise auszustechen. Die füllt Margarita mit ihrer Mischung aus Frischkäse und Preiselbeerkonfitüre, dann faltet sie den Teig zu einem Halbmond.
Unterdessen rückt Anikó ihren Fischen zu Leibe, die sie ganz frisch gekauft hat. Forellen und Karpfen standen zur Auswahl. Ihren Mitköchinnen gesteht sie, dass sie den Sud schon tags zuvor zubereitet hat. In puncto Fischsuppe seien die Ungarn wahre Experten und äußerst wählerisch. Dabei hat jeder einzelne Landstrich sein spezifisches Rezept, und die alljährlich stattfindenden öffentlichen Kochwettbewerbe erfreuen sich großer Aufmerksamkeit. Anikó liebt Fisch über alles, auch wenn Ungarn kein Meer hat und, wie Anikó sagt, fast ausschließlich Süßwasserfische auf den Tisch kommen.
Auch Ihovana hat ihre schwarzen Bohnen schon vorgekocht, ebenso den Stampf aus Bananen, den sie in Pufferform gebracht und dann eingefroren hat. Deshalb muss sie diese Beilage nur aufbraten, während sie die grünen Bananen frisch frittiert. Den Reis bereitet sie im mitgebrachten Reiskocher zu. „Jede Frau auf Kuba hat solch einen Topf“, sagt sie und wundert sich nach einer Weile, dass er nicht funktioniert. „Der berühmte Vorführeffekt.“ Anikó weiß Rat. „Dann kommt der Reis eben in den normalen Kochtopf.“
Das Gericht heißt bei den Spaniern Moros y cristianos. Die pechschwarzen Bohnen stehen für die Mauren, der weiße Reis für die Christen. Auf Kuba wird das Gericht Arroz congri genannt. „Kuba hat eine einfache Küche“, berichtet Ihovana. Margarita ruft in Richtung Küche: „Ihovana, du bist gar keine richtige Kubanerin, du magst keinen Kaffee und keine Avocados.“ „Stimmt!“ Ihovana kichert. „Ich mag auch keine Sonne und keine Zigarren.“ Die drei Frauen stehen einträchtig am Herd und schauen in ihre Töpfe. Endspurt. Der Reis ist fertig und wird mit den schwarzen Bohnen vermischt. Die Wareniki schwimmen am oberen Topfrand, und der Fisch liegt schon gegart im Sud.
Der Wein fließt kühl ins Glas, die Suppe leuchtet feuerrot in tiefen Tellern. „Oh, die weckt ja Tote auf“, entfährt es Ihovana, doch beim Essen gewöhnt sie sich an die Schärfe. Großes Lob gibt es von Margarita für das kubanische Reisgericht: „Was für ein interessanter Geschmack.“ Die Wareniki bilden den Abschluss einer lebhaften und fröhlichen Kochrunde, die keine Grenzen kannte.
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