Kochen statt büffeln
Normalerweise drücken Saugat, Bohdan und Aidai zusammen die Schulbank. Sie bereiten sich in Kiel darauf vor, dass sie zum Studium zugelassen werden. Heute kochen sie gemeinsam – und beeindrucken mit Gerichten aus ihren Heimatländern Nepal, Ukraine und Kirgisistan.
Foto(s): Frederik Röh
Saugat Pandey
Saugats Heimat liegt am weitesten entfernt: Er kommt aus Nepal. Der 20-Jährige ist ein schlauer Kopf, auch wenn er bescheiden ist und das nicht zugibt. Er will Informatiker werden – „und das geht besser in Deutschland als in Nepal“. Saugat lernt erst seit einem Jahr Deutsch, kommt aber schon bestens klar. In der Küche arbeitet er leise vor sich hin, beeindruckt mit seinen vielen exotischen Gewürzen, taut im Laufe des Kochabends richtig auf und wirkt mit seinem Lächeln unglaublich sympathisch.
Bohdan Samishchenko
Bohdan ist ebenfalls noch gar nicht so lange in Deutschland: Seit gut einem Jahr lebt er zusammen mit seinen Eltern in Kiel. Er besucht das Studienkolleg der Fachhochschule und will anschließend studieren. Seine Heimatstadt Dnipro liegt im Südosten der Ukraine. Der 19-Jährige verließ sie Monate vor dem Krieg – und muss nun in den Nachrichten verfolgen, was dort Schlimmes passiert. Bohdan ist auch Musiker, spielt seit acht Jahren Gitarre. Und er mag Rudern. Kochen kann er auch: Heute gibt es Kartoffel-Teigtaschen.
Aidai Morzaeva
Aidai kommt aus einem Land, das zu 80 Prozent aus Bergen besteht: Kirgisistan. Hier in Kiel ist alles flach, alles ist anders – und doch richtig schön. Die 22-Jährige lebt jetzt seit gut zwei Jahren hier, hat erst ein Soziales Jahr beim Deutschen Roten Kreuz gemacht und will nun Informatikerin werden. „Programmieren, das kann ich mir vorstellen“, sagt sie gut gelaunt. Aidai ist ein Wirbelwind, mag singen, tanzen, malen, Volleyball spielen – und seit Kurzem auch kochen. Von ihrer Mama hat sie ein leckeres Nachtischrezept dabei.

Die drei jungen Menschen freuen sich, sind aber auch ein bisschen aufgeregt. Saugat, Bohdan und Aidai kennen sich seit einigen Monaten, denn sie machen zusammen in Kiel quasi das deutsche Fachabitur, um dann studieren zu können. Zwei von ihnen – Saugat aus Nepal und Aidai aus Kirgisistan – leben zusammen in einem Studentenwohnheim. „Da ist immer Party“, sagt Aidai und lacht. Die Musikbox läuft, und alle möglichen Nationen treffen aufeinander. „Da wird dann indisch, nepali, russisch oder chinesisch gesprochen.“ Multikulti und sehr bereichernd sei dies, findet auch Saugat. Bohdan lebt dagegen etwas ruhiger in einer Wohnung zusammen mit seinen Eltern. Nun heißt es also „kochen zu dritt“. Alle packen ihre Zutaten aus. Bohdan braucht für seine Teigtaschen gar nicht so viel: Mehl, Eier, Kartoffeln, Champignons, Zwiebeln – das ist überschaubar. Der 19-Jährige schaut immer mal wieder auf sein Handy, auf dem er das Rezept sieht. Vor ihm liegt ein kleiner Berg Kartoffeln, und er quält sich ein bisschen mit dem Sparschäler. Nach einer ganzen Weile sagt er erleichtert: „Ich bin fast am Ende.“ Alle lachen. Im wahrsten Sinne des Wortes „am Ende“. Puh.
Saugat bereitet die Vorspeise aus Nepal zu, die es in sich hat. Seine Zutatenliste ist die längste und besteht zu einem Großteil aus Gewürzen: grüne Chilischoten, Koriander, Bockshornkleesamen, Szechuanpfeffer, Sesam, Salz, Ingwer und Knoblauch – ein verführerischer Duft breitet sich in der Küche aus. Der Nepali mixt Joghurt mit Kartoffeln, die er zu Hause schon vorgekocht hat. Dann kommen grob geschnittene Zwiebeln und die vielen Gewürze hinein. Sein nepalesischer Freund Abhi ist ebenfalls mitgekommen, und die beiden erzählen von den Essgewohnheiten in ihrer Heimat. „Wir essen viel Reis, zweimal am Tag“, sagt Saugat. „Und Hänzen.“ Es dauert ein bisschen, bis jeder weiß, was er meint. Hähnchen! Das deutsche „ch“ macht dem 20-Jährigen noch Schwierigkeiten. Aber dennoch Hut ab: Wie kann man in so wenigen Monaten so gut Deutsch lernen? Schlau seien die beiden Nepali, finden Aidai und Bohdan. Sie hätten ein gutes Abitur in Nepal hingelegt. Saugat winkt bescheiden ab. Witzig auch, dass er immer den Kopf schüttelt, wenn er eigentlich „ja“ meint. „Das machen wir in Nepal so“, sagt Abhi und lacht herzlich.
Aidai ist voll in ihrem Element, knetet den Teig für ihre „Chak Chak“ aus Kirgisistan und rollt die Masse gleichmäßig aus. „Wir nennen diese Nachspeise so, weil es so ein Geräusch beim Zubeißen macht“, erzählt die 22-Jährige. Die Teigstücke werden in Öl frittiert und deswegen sehr knusprig. „Zu Hause in Kirgisistan gibt es Chak Chak zum Beispiel für große Feiern – und wir bereiten immer große Schüsseln davon zu.“ Was sonst noch in ihrer asiatischen Heimat gegessen wird? „Fleisch! Viel zu viel Fleisch!“ Aidai mit der tollen positiven Ausstrahlung erzählt munter von ihren vielen Aktivitäten. „Ich male gern Porträts oder Landschaften, und ich habe hier in Malente im Dieksee Schwimmen gelernt. Jetzt gehe ich regelmäßig schwimmen.“ Kochen möchte sie auch noch besser lernen. Und die Kameraausrüstung des Hierleben-Fotografen hat es ihr angetan. Will sie wirklich Programmiererin werden und jeden Tag vor dem Computer sitzen? Abwarten, was das Leben noch so bringt. Aidai und Saugat sind fertig und helfen Bohdan nun mit den Kartoffeltaschen. Zusammen befüllen sie die Teigtaschen, bevor der Ukrainer sie ins kochende Wasser gibt. Dann wird aufgetischt: Los geht es mit der Vorspeise aus Nepal. Aidai probiert und reißt ihre Augen auf. „Wie scharf ist das denn?“ Saugat und sein Freund Abhi kichern. „Das ist nicht scharf. Das ist bei uns mild. Wir essen das auch gern zum Frühstück.“ „Zum Frühstück?“ Aidai kann es nicht glauben. Alle lachen und tauchen nun die Teigtaschen aus der Ukraine in die würzige Joghurt-Vorspeise aus Nepal. So passen die verschiedenen Aromen perfekt zusammen – und auch Aidai kann das Essen genießen. Danach noch ein lautes „Chak Chak“ beim Zerkauen der Kekse – und alle sind glücklich über die Ergebnisse der internationalen Kochrunde.

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