Küche kunterbunt
International und trotzdem regional: Viele der Zutaten für diese Hierleben-Kochrunde stammen aus eigenem Anbau. Kombiniert mit aromatischen Gewürzen und Spezialitäten aus der alten Heimat, entstehen unkomplizierte Gerichte, die allen hervorragend schmecken.
Foto(s): Henrik Matzen
Nerijus Grigas
Er spricht Russisch, Polnisch, Litauisch und Englisch, aber zum Studium nach Berlin kam Nerijus Grigas aus Litauen vor 30 Jahren als 19-Jähriger mutig fast ohne Deutschkenntnisse. Nach einer spannenden Zeit in China kehrte er zurück in den Norden Deutschlands, um zu bleiben. Die Erfahrung als ehemals Fremder nutzt er heute beruflich als Lehrer: Er ist am Berufsbildungszentrum Schleswig unter anderem zuständig für geflüchtete Schülerinnen und Schüler. Auch privat engagiert er sich und unterstützt ukrainische Familien dabei, hier Fuß zu fassen.
Aynur Skerka
Sie ist in Elmshorn aufgewachsen, hat in Flensburg Betriebswirtschaft studiert und dann erst einmal in Kiel gewohnt, wo Aynur Skerka heute auch arbeitet. Inzwischen lebt die gebürtige Türkin mit ihrem Mann und ihrem Sohn idyllisch an der Schlei. „Eigentlich wollte ich nie in ein Dorf ziehen“, verrät sie, hat aber ihre Meinung schnell geändert. Das Wasser direkt vor der Haustür zu haben, ist praktisch, denn die 43-Jährige ist Triathletin und trainiert für ihren ersten Wettkampf.
Susanne Hansen
Mit fünf Jahren zog Susanne Hansen mit ihren Eltern aus dem heutigen Tschechien nach Norddeutschland. Ihren typisch deutschen Namen muss sie oft erklären: „Im Tschechischen wird mein Vorname Zuzanna geschrieben, mein Nachname stammt von meinem Mann.“ Mit ihm, zwei Kindern und „alles an Getier“, wie sie lachend sagt, lebt die 39-jährige Krankenschwester auf einem Resthof an der schleswig-holsteinischen Westküste. Mit Beruf und Arbeit im Haus und großen Garten hat sie mehr als genug zu tun – aber Zeit für ihre Pferde findet sie immer irgendwie.

Nerijus hat einen großen Rucksack dabei, Aynur kommt mit einem Bollerwagen und Suse schleppt zwei große Kisten herein. Als alle die Zutaten auspacken, wird es farbenfroh und bunt: Die violetten Auberginen für das Hauptgericht hat Aynur mitgebracht, dazu hellgrüne türkische Spitzpaprika, dunkelgrüne glatte Petersilie und Tomaten. Suse hat am Morgen noch Pflaumen eingekocht, die sie im Herbst geerntet hatte, und stellt das Glas mit dem leuchtendroten Mus auf die Küchenplatte. Neben die vorgegarte Rote Bete legt Nerijus einige Kartoffeln aus seinem Vorrat aus eigenem Anbau. Einige sind tiefblau. „Die Sorte wurden mir von einem Bekannten empfohlen. Ich muss sagen, sie ist wirklich klasse“, sagt er. Aynur googelt erst einmal den Namen: Blauer Schwede. „Damit sind wir ja noch internationaler“, stellt sie fest. Suse zaubert aus ihrer Kiste noch eine Wärmflasche hervor. „Damit der Hefeteig es gleich schön warm hat.“ Ihre Küchenmaschine darf auch auf den Tisch. Nur wenn diese richtig Lärm macht, pausiert das muntere Gespräch kurz, denn das Trio hat von Anfang an einen Draht zueinander. Nerijus aus Litauen kann viele Sätze und Redewendungen in Suses Muttersprache. „Meine Frau hat auch Familie in Tschechien“, verrät er.

Mittlerweile hat Aynur von den Auberginen schmale Streifen abgeschält, violett-hellgrün gestreift sehen sie dekorativer aus. „Du hast am meisten Arbeit“, stellt Suse fest, „du musst dich ja richtig konzentrieren!“ „Tatsächlich, mein Gericht ist ein Klassiker der türkischen Küche, aber ich habe es noch nicht so oft zubereitet“, antwortet sie. Damit es gelingt, hat sie extra ihre Mutter angerufen und nach Tipps gefragt. Bei der Gelegenheit erzählt sie, dass ihre Großeltern einer Minderheit angehörten, den Tscherkessen, und ursprünglich im Kaukasus lebten. „Sie sprachen sogar eine eigene Sprache.“
Auch Nerijus und Suse teilen ihre Geschichten. „Ich war bei meiner Oma in Deutschland im Urlaub, dann kamen meine Eltern nach, und wir blieben hier“, sagt Suse. Das war 1988. Die Sprache hat sie erst in der ersten Klasse gelernt. „An meinem ersten Tag in Deutschland fuhr ich mit der Straßenbahn viel zu weit, weil ich nicht lesen konnte, wie sich die Tür öffnet, und nicht fragen wollte“, sagt Nerijus und lacht.
Nebenbei hat er die Rote Bete geschält und geraspelt, Salatgurke und Cornichons gehackt und mit Kefir und etwas Wasser gemixt. Vorsichtig rührt er die Suppe auf, die nun in einem kräftigen Pink leuchtet. „Mädchensuppe“, kommentiert Aynur lachend. „In Litauen ist sie ein beliebtes Sommergericht, aber man bekommt sie ganzjährig in fast jedem Restaurant und kombiniert sie dann wahlweise mit gekochten oder gebratenen Kartoffeln. Und mit Speck. Der gehört in Litauen einfach dazu“, erklärt Nerijus. „Die deftige Küche ist ja auch für Tschechien typisch“, fügt Suse hinzu. „Und oft aufwendig. Die Buchteln habe ich ausgesucht, weil sie nicht so schwierig sind.“ Der Hefeteig ist dank der Wärmflasche schön aufgegangen. Suse rollt ihn aus und schneidet mit einem scharfen Messer 15 Stücke ab. Jedes Stück bekommt einen Klecks Pflaumenmus in die Mitte, dann formt Suse Kugeln und legt sie in die Auflaufform.
„Die Buchteln müssen nochmal gehen, schieb du erstmal die Auberginen in den Ofen“, schlägt Suse vor. Die Zwischenzeit überbrücken die drei, indem sie mit einem Glas Wein anstoßen, während der türkische Reis auf dem Herd köchelt. „Optisch bekommst du den ersten Preis“, stellt Nerijus anerkennend mit Blick auf die gefüllten Auberginen fest, die Aynur mit ein paar Brocken Schafskäse verfeinert hat. „Sollen wir nicht nochmal zusammen kochen?“, fragt Aynur und erntet sofort Zustimmung. „Ich habe in meinem Studium tolle Kochabende mit Freundinnen gemacht. Wir haben uns dafür jeweils ein Land und seine typischen Gerichte ausgesucht.“
Als auch die Buchteln im Ofen sind und sich alle Suppe und Hauptgericht schmecken lassen, ist die Verabredung fix: In ein paar Wochen wollen sich die drei wieder zum Kochen treffen.
Rezepte