Gekocht wird heute im Grundbildungszentrum der Volkshochschule Rendsburg. Schöne, große Räume, eine luftige Küche und dazu Menschen aus mehreren Nationen, die „über den Tellerrand“ hinausgucken möchten. Die Lettin Agita war als erste da, denn ihre Erbsen brauchen lange zum Garen. „Graue Erbsen mit Zwiebeln und Speck sind ein Klassiker in der lettischen Küche, aber ich habe hier leider keine grauen Erbsen bekommen“, bedauert die 41-Jährige. Grüne tun es aber auch. Das runde Gemüse tummelt sich schon im großen Kochtopf, und Agita schöpft immer wieder den Schaum ab. Auch Katjas Nachspeise aus der Ukraine dauert etwas länger. Für ihre Kutja müssen Weizenkörner in Wasser eingeweicht werden. Und auch die getrockneten Früchte wie Aprikosen, Kirschen und Birnen für den Saft namens Uzvar werden zuvor in Wasser eingelegt. „In der Ukraine kochen wir viel mit getrockneten Früchten. Meine Nachspeise heute wird gern bei Festen gemacht. Sie steht für Erfolg, Ruhe, Unsterblichkeit und Glück.“
Einweichen muss Claudia nichts. Die Brasilianerin hantiert dafür ordentlich mit einem Messer, denn alles für ihren Salat muss in feine Streifen geschnitten werden: Kartoffeln, Paprika, Möhren und geräucherte Putenbrust. Akribisch erledigt die 54-Jährige ihre Arbeit, lässt sich helfen von ihrer Tochter und von weiteren Besuchern aus Syrien. Fröhlich erzählt sie aus ihrem Leben. Von ihren Umzügen nach Bayreuth und Mannheim, von der zwischenzeitlichen Rückkehr nach Südamerika und von ihrer jetzigen Heimat in Schleswig-Holstein. Claudia engagiert sich gern ehrenamtlich und mag es, anderen Menschen zu helfen. Agita ist immer noch mit ihren Erbsen beschäftigt – was auch daran liegt, dass Katja zwischendurch aus Versehen die Herdplatte ausgeschaltet hat. Die beiden nehmen es mit Humor. Es wird also noch ein bisschen dauern, ehe Agita durchwachsenen Speck und Zwiebeln anbraten und unter die pürierte Erbsenmasse heben kann. „Früher gab es das Gericht bei uns überall: im Kindergarten, in der Schule – ich hatte es irgendwann über.“ Aber heute mag sie es wieder. Agita erzählt von ihrer Heimatstadt Riga, von den deutschen kulturellen Einflüssen, von der Gemütlichkeit der lettischen Hauptstadt. Und plötzlich sagt Katja, die Agita vor diesem Kochabend gar nicht kannte: „Riga ist meine Lieblingsstadt. Ich war schon dreimal da und könnte mir sogar vorstellen, mit meinem Mann dahin auszuwandern.“ Agita ist sprachlos, fängt sich aber schnell wieder. Begeistert holt sie ein rot-weißes Fähnchen aus Lettland hervor, und die beiden Frauen schwärmen von Riga. „Wir haben viele kleine Läden dort und coole Clubs und Discos – das zieht viele Menschen an.“ Agita beschreibt die offene Art der Menschen aus Lettland: „Bei uns zu Hause wurde immer einfach geklingelt. In Deutschland musste ich erstmal damit klarkommen, dass man hier Termine macht.“ Gelächter in der Küche, denn das scheinen viele Ausländer so zu empfinden.
Die drei Köchinnen stellen noch eine Gemeinsamkeit fest: In allen drei Ländern wird viel Fleisch gegessen. Katja erzählt von ihrer Oma, die früher in der Ukraine Enten und Hühner gehalten hat. Das Fleisch wurde direkt verwertet. Und Claudia lässt die anderen wissen, dass Brasilianer auf die deftige Küche stehen. „Alles ist gut gewürzt. Vor allem im Norden des Landes essen wir gern scharf.“ Schwarze Bohnen und Reis sind meist dabei. Während in der Rendsburger Volkshochschule geschnippelt, gebraten und püriert wird, läuft Monika Hefner von der Initiative „Über den Tellerrand“ mit einem fröhlichen Lächeln durch die Räume, hilft hier und da und versucht, alle internationalen Hobbyköche einzubinden. „Nichts verbindet so gut wie Kochen“, findet sie und freut sich, dass etliche Ehrenamtliche seit Jahren bei dem Projekt mitmachen. Zum Schluss wird der große Tisch gedeckt, und es gibt viele Ahs und Ohs zu den unterschiedlichen Gerichten. Über den Tellerrand zu schauen, ist inspirierend – und auch richtig lecker.
Rezepte