Bei den Honigabfüllern duftet es herrlich. Süßlich-würzige Aromen wabern durch die Luft, während gerade feiner Wildblütenhonig abgefüllt wird. Die verschiedenen Honigsorten kommen in 300-Liter-Fässern zu L.W.C. Michelsen nach Hamburg-Billbrook. Dort werden sie nach bestandener Laborkontrolle vorsichtig auf 36 Grad erwärmt, einige Stunden durchgerührt und dann schön cremig in die Gläser gefüllt. „36 Grad, kein bisschen wärmer“, erklärt Malte Peters, einer der beiden Geschäftsführer. „Das ist die Temperatur, die auch die Bienen selbst im Stock durch ihren Flügelschlag erzeugen. Mehr Wärme vertragen einige der wertvollen Inhaltsstoffe im Honig nicht.“ Der Chef kennt sich aus, hat selbst einen Imkerkursus absolviert und vier Bienenvölkern hinter seinem Bürogebäude direkt an der Bille ein Zuhause gegeben. „Ich habe mich beruflich so viel mit Honig beschäftigt, da wollte ich einfach mehr über Bienen wissen“, erzählt der 43-Jährige.
Die rund 25 Trachtenhonige, die L.W.C. Michelsen in den Handel bringt, kommen allerdings aus aller Herren Länder. Klassiker wie Heide- und Lindenblütenhonig sind ebenso dabei wie Exoten: Kaffeeblütenhonig, Avocadoblütenhonig oder der kostbare Manukahonig aus Neuseeland. „Der Honigbedarf in Deutschland ist viel größer als die Menge, die deutsche Imker liefern könnten“, erklärt Malte Peters. L.W.C. Michelsen bietet die Honige pur und als exklusive Spezialitäten an, zum Beispiel gemischt mit Sanddornsaft, Vanillesirup oder auch saisonal mit Zimt, Marzipan und Lebkuchengewürz.
Hamburgs erste Adresse für Delikatessen
Viele Kunden lieben diese Delikatessen schon seit Jahrzehnten, Produkte von L.W.C. Michelsen gehören in einigen Familien seit Generationen zu besonderen Anlässen auf den Tisch oder werden verschenkt. Bisweilen sind dies viele Generationen, denn die Geschichte von L.W.C. Michelsen – mit Betonung auf der zweiten Silbe mit langem „e“ – reicht bis ins Jahr 1814 zurück. Damals eröffnete Christian Friedrich Michelsen in Hamburg einen Handel mit Mehl, bald kam ein Fruchtgeschäft in den Großen Bleichen dazu. Der Enkel Ludwig Wilhelm Christian Michelsen, Namensgeber der Firma, entwickelte den Laden zu einem der renommiertesten Feinkostgeschäfte seiner Zeit in der Hansestadt. 1899 kaufte Johannes Carl Peters als das erste Peters-Familienmitglied den Betrieb. Kurz darauf wurde L.W.C. Michelsen sogar kaiserlich-königlicher Hoflieferant Wilhelms II.
Im Wandel der Zeit
Die Monarchie ging vorbei, aber L.W.C. Michelsen behauptete sich über zwei Weltkriege und rasante wirtschaftliche Veränderungen hinweg. Die Ära des eigenen Delikatessengeschäfts für die anspruchsvolle Hamburger Kundschaft endete erst 1995, als das Traditionshaus in den Großen Bleichen einem Feuer zum Opfer fiel. „Leider sind dabei ganz viele der historischen Unterlagen verloren gegangen“, bedauert Malte Peters. „Und es stand fest: In dieser Top-Lage können wir uns die Miete in einem Neubau nicht leisten.“ So konzentriert sich das Unternehmen heute ganz auf die Produktion und den mittlerweile internationalen Handel seines Sortiments aus rund 750 verschiedenen Köstlichkeiten vom Likör bis zum Relish plus Vertrieb ausgewählter Spezialitäten wie der britischen Marke Wilkin & Sons.
Eigene Feinkostrezepturen
Viele Klassiker haben bei der Hamburger Traditionsfirma nach wie vor ihren festen Platz: „Papa’s Rumtopf hat zum Beispiel immer noch die Artikelnummer 1 bei uns“, erzählt Malte Peters lächelnd. Dem Rumkandis laufen auch die inzwischen weiteren 20 Kandissorten zur Veredlung von Tee bis heute nicht den Rang ab. „Auch eine Idee aus den Sechzigern, für den echten Ostfriesentee Rum und Kandis zusammenzubringen, ohne dass sich der Zucker auflöst – das bleibt unser Geheimnis.“ Auch die bunten Strandkies-Dragees gehören einfach dazu. Der Betrieb ist zwar inzwischen nach modernsten Standards zertifiziert, setzt aber nach wie vor auf viel Handarbeit. Ob direkt in der Manufaktur in Billbrook zubereitet oder von meist langjährigen Zulieferern streng nach den Rezepturen gefertigt, die im Hause Michelsen entwickelt wurden: Die Produkte müssen für die siebte Geschäftsführungs-Generation auch in puncto Inhaltsstoffe und Verpackung bestehen. „E-Stoffe setzen wir so gut wie nicht ein, und auch auf Plastik verzichten wir so weit wie möglich“, so Malte Peters. Stattdessen aromatisiert natürliche Vanille aus Madagaskar den Zucker, verleiht natürliche Bergamotte dem Earl-Grey-Kandis seinen Duft, und die fertigen Produkte kommen in Flaschen oder Gläsern in den Handel. Es gibt eben gute Gründe, manches auch nach mehr als 200 Jahren nicht zu verändern.
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