Der Dichter Theodor Storm aus Husum schrieb 1852 die Geschichte vom „Hinzelmeier“, eine nachdenkliche und humorvolle Fabel über Liebe, Sehnsucht nach ewiger Jugend und Blindheit für das eigene Glück. Die Märchenfigur Hinzelmeier sucht den Stein der Weisen und begegnet dabei dem Kasperle, der auf einem Stein sitzt. Ist das der Stein der Weisen? Als Hinzelmeier genauer hinschaut, erkennt er, dass der Stein ein Käse ist: „Da nahm auch Kasperle die Brille herunter, und nachdem er seinen Stein eine Weile betrachtet hatte, sagte er: ‚Dieses ist ein sogenannter Lederkäse und muss mit des Himmels Hülfe gegessen werden. Bedienen Sie sich, Herr Kollege!‘“ Und nun zogen beide ihre Messer aus der Tasche und hieben wacker auf den Käse ein.
Früher: günstige Kost für das Gesinde
„Ich weiß nicht“, sagte Hinzelmeier, nachdem der Käse verzehrt war, „mir ist unmaßgeblich zumute, als wäre ich dem Stein der Weisen um ein Erkleckliches näher gerückt.“ Eine schöne alte Geschichte, die erzählt, wie wohltuend der Genuss eines guten Käses sein kann, und die dem historischen Schleswig-Holsteiner Lederkäse, der fast in Vergessenheit geraten wäre, ein Denkmal setzt. Lederkäse ist ein regionales Kulturgut und war früher auf den Höfen eine gängige und günstige Kost für das Gesinde. Die Bauern schöpften von der Kuhmilch den Rahm ab und machten daraus Hofbutter, die sich gut verkaufen ließ. Die Magermilch wurde zu fettreduziertem Käse verarbeitet, der nach fünf Wochen Reife durch den geringen Fettanteil fest und lederartig war – je länger die Reife, desto härter der Käse.
Heute: schmackhafte fettarme Spezialität
Heute gibt es ihn wieder – unter dem kreativen Namen Storm‘s Irrtum und nach historischer Rezeptur, bereichert durch einige Finessen des Meierhofs Möllgaard in Hohenlockstedt. Der Lederkäse aus Nordfriesland ist ein Käse aus Kuhmilch, der zehn Monate reift und einen schnittfesten, geschmeidigen Teig hat. Er schmeckt würzig-aromatisch und enthält nur 20 Prozent Fett in der Trockenmasse. Die Herstellung und Grundreifung erfolgen in der Meierei Nordweide im nordfriesischen Süderlügum. Seine Geschmacksnote erhält Storm‘s Irrtum durch die Lagerung im Reifekeller des Meierhofs Möllgaard. Dabei wird er mehrfach mit Rotkulturen gewaschen, sodass er schon nach kurzer Zeit einen herzhaften Geschmack entwickelt. Die Rinde ist zwar recht hart, aber gut essbar. Bei Theodor Storm kommt, als Hinzelmeier und Kasperle den Käse verspeisen, ein Rabe herbeigeflogen und macht sich genüsslich über die Rinde her.