Kaiserliche Leibspeise
Tafelspitz ist eine der berühmtesten Spezialitäten der Wiener Küche. Das edle Rindfleisch gart über mehrere Stunden in siedender Brühe und wird dadurch wunderbar mürbe. Seine Bekanntheit verdankt das Siedefleisch Franz Joseph I., einst Kaiser von Österreich und König von Ungarn, dessen Leibgericht es war.
Foto(s): Frederik Röh, Henrik Matzen
„Tafelspitz esse ich sehr gern, besonders wenn meine Mutter ihn zubereitet – mit Meerrettichsoße und Salzkartoffeln. Tafelspitz ist wieder stark im Kommen und wird auch bei jüngeren Kunden immer beliebter.“
Stefan Christen, Fleischexperte im famila-Warenhaus Eckernförde
Der Monarch, der von 1830 bis 1916 lebte, galt als sparsam und genügsam. Er liebte einfache Kost, und so enthielt der Speiseplan am Wiener Hof statt mehrgängiger Menüs vor allem gesottenes Rindfleisch mit Beilagen wie zum Beispiel Kohl oder Kohlrabi, frisch geriebenem Meerrettich (österr. Kren) und Brot zum Aufstippen der Brühe. Immerhin erlaubte Franz Joseph seinen Köchen, die besten Stücke vom Rind zu verwenden.
Rindfleisch im Überfluss
Doch nicht nur bei Hofe war Rindfleisch in Wien damals angesagt. Die Rinder kamen vor allem aus der ungarischen Puszta. Ganze Herden wurden damals in die österreichische Hauptstadt getrieben. Bereits seit dem Mittelalter war Rindfleisch neben Brot eines der wichtigsten und günstigsten Nahrungsmittel der Wiener. Vom Teller seiner Majestät, des Hofstaats und seiner hohen Militärs fand das gekochte Rindfleisch den Weg ins Bürgertum – man wollte tafeln wie der Kaiser. So wurde das Siedefleisch zum Inbegriff gutbürgerlichen Essens. Diese Wiener Rindfleischkultur endete erst mit dem Zweiten Weltkrieg. Später besann man sich auf den Klassiker zurück, und heute ist er aus der österreichischen Küche nicht mehr wegzudenken. Der feinfaserige, gut abgehangene Tafelspitz ist ein Teilstück der Rinderhüfte. Er stammt vom oberen Teil der Hinterkeule eines jungen Ochsen und ist nach dem charakteristischen Schnitt der Fleischteilung benannt. Dieser vordere, spitz zulaufende Teil der Unterschale schließt an das sogenannte „Tafelstück“ an. Tafelspitz hat an der oberen Rundung einen dünnen, schmackhaften Fettrand – er gibt zusätzlich Geschmack und sollte vor dem Garen auf keinen Fall entfernt werden.
Das Warten lohnt sich
Vielleicht hat der Tafelspitz seinen Namen aber auch ein paar hungrigen Wiener Adligen zu verdanken: Die Erzherzöge mussten beim höfischen Festschmaus immer am undankbaren „Spitz“ der Tafel sitzen, also ganz am Ende. Unglücklicherweise aß der Kaiser sehr schnell, und ihnen wurde aufgrund der Sitzordnung immer zuletzt aufgetragen. Da aber alle gemeinsam mit Franz Joseph das Besteck niederzulegen hatten, gingen die Edelmänner oft leer aus. So zogen sie anschließend ins Wiener Hotel Sacher. Dort wartete ein Gericht auf sie, das über Stunden vor sich hin sieden konnte und dabei immer zarter wurde: der Tafelspitz. Er gilt bis heute als echte Spezialität der Wiener Küche. Ob klassisch mit einer geriebenen Meerrettich-Apfel-Mischung, Bratkartoffeln und Schnittlauchsoße oder modern variiert wie zum Beispiel in unserem Rezept für Tafelspitz in Pflaumen-Rotweinsoße auf der folgenden Seite: Bei diesem zarten Stück Rindfleisch kommen Genießer voll auf ihre Kosten.
Rezept